Wie sich die Lücke zwischen Robotik-Vision und Realität schließen lässt
„Ungewissheit ist die größte Herausforderung“ – Wie Roboter-Mensch-Interaktionen funktionieren können
Über Prof. Dr. Georgia Chalvatzaki
Prof. Dr. Georgia Chalvatzaki ist seit Anfang 2022 Assistant Professor an der TU Darmstadt und leitet dort die iROSA-Gruppe für „Robot Learning of Mobile Manipulation for Assistive Robotics“.
Chalvatzaki schloss ihr Promotionsstudium 2019 am „Intelligent Robotics and Automation Lab“ an der Electrical and Computer Engineering School der Nationalen Technischen Universität Athen in Griechenland ab und kam anschließend nach Darmstadt für eine Stelle als Postdoktorandin in der Gruppe für „Intelligente Autonome Systeme“.
2021 erhielt Chalvatzaki Mittel des renommierten Emmy Noether-Programms (ENP) der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und startete als unabhängige Forschungsgruppenleiterin.
Robotik-Visionen und ihre Realität
Seit Jahrzehnten will die Robotikforschung Roboter in unseren Alltag bringen. Dabei hat sie in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Doch trotz aller Fortschritte klafft eine große Lücke zwischen den visionären Zielen der Robotik und der aktuellen Realität: Noch immer sind viele für Menschen alltägliche Aufgaben für Roboter schwierig oder unmöglich zu bewältigen.
Chalvatzaki möchte diese Lücke schließen: Roboter sollen mittels lernender Algorithmen komplexe Aufgaben in realen Umgebungen lösen und dabei die Unsicherheit in den Griff bekommen, die mit der Zusammenarbeit mit Menschen einhergeht.
Die Wissenschaftlerin forscht an der Schnittstelle zwischen Machine Learning und der klassischen Robotik. Ihr Ziel sind in Robotern verkörperte KI-Assistenten. Dafür arbeitet Chalvatzaki mit sogenannten Mobile Manipulator Robotern: Das sind mit zahlreichen Sensoren ausgestattete Roboterarme auf Rädern.
Intelligente Roboter-Assistenten könnten etwa in der Pflege helfen: Allein Deutschland fehlen knapp 100.000 Pflegekräfte, sagt Chalvatzaki. Viele alte Menschen werden ambulant versorgt. Immer weniger junge Menschen wollen in die Pflege. „Wenn wir uns wirklich um die alternde Bevölkerung kümmern wollen, brauchen wir Roboter, die einige alltägliche Aufgaben übernehmen können.“
Doch laut Chalvatzaki sind aktuelle Roboter schnell mit Aufgaben überfordert, die für uns Menschen simpel erscheinen. Sie könnten etwa das Tablettendöschen nicht verlässlich bringen.
Roboter müssen lernen, mit Ungewissheit umzugehen
Als zentrale Herausforderung sieht die Forscherin die zahlreichen Ungewissheiten, die eine Mensch-Roboter-Interaktion mit sich bringen: Unvollständige Sensor-Informationen erfassen nur einen Teil der Umgebung oder generieren Rauschen, das von den Systemen verarbeitet werden muss.
Die Roboter interagieren zudem in einer Umgebung, in der sich auch Menschen bewegen – und deren Verhalten ist schwer vorherzusagen. Das kann zu Fehlern führen oder sogar gefährlich sein.
Intelligente Roboter-Assistenten benötigen daher eine gute Koordination, müssen Fehler eigenständig erkennen und aus ihnen lernen können. Das ist ein zentrales Forschungsthema von Chalvatzaki und ihren Kolleg*innen. Auf der Robotik-Konferenz IROS 2022 erhielt Chalvatzaki einen Best Paper Award für ihre Forschung zu diesem Thema.
Gemeinsam mit dem iROSA-Lab entwickelte Chalvatzaki zudem einen Algorithmus, der eine sichere Reaktion auf unvorhergesehene Bewegungen von Menschen ermöglicht. Das verbessert die Sicherheit für Mensch und Umgebung im Umgang mit Robotern.
Multimodale Robotik und starke KI
Intelligente Roboter-Assistenten sind laut Chalvatzaki verkörperte KI-Agenten. Sie müssten sich bewegen, wahrnehmen und umfassende Anweisungen in kleine Teilaufgaben umwandeln können. Entsprechende Systeme müssten multimodal angelegt sein, also verschiedene Daten wie Bild, Text und Audio verarbeiten können, und benötigten zudem Funktionen, die sich an der Schnittstelle von natürlicher Sprache, Logik, Geometrie und Motorensteuerung bewegen.
Abseits der möglichen Vorteile für eine alternde Gesellschaft leistet die Forschung an fortschrittlichen Robotik-Systemen daher auch einen Beitrag zur breiteren KI-Forschung.
Genau hier sieht Chalvatzaki den großen Vorteil von hessian.AI. Das Zentrum bietet Kooperation und Wissensaustausch zwischen verschiedenen Feldern wie etwa der Robotik und der maschinellen Verarbeitung natürlicher Sprache. Sie schätzt zudem die Öffentlichkeitsarbeit des Zentrums, die KI-Forschung einer breiten Öffentlichkeit vorstellt und durch gezielte Veranstaltungen etwa jungen Frauen die MINT-Fächer näherbringt.