Was KI vom menschlichen Gehirn lernen kann
Über Prof. Dr. Gemma Roig
Prof. Dr. Gemma Roig startete ihre Karriere in den Bereichen Telekommunikationstechnik, Signalverarbeitung und Mathematik, wo sie ihr Interesse für Künstliche Intelligenz entwickelte. Ab 2011 vertiefte sie ihre KI-Forschung in einem Doktoratsstudium an der ETH Zürich, das sie 2014 im Bereich Computer Vision abschloss.
In Zürich begann Roig sich mit der Frage zu beschäftigen, wie Wissen über das menschliche Gehirn für bessere KI genutzt werden kann. Ab 2014 forschte sie dafür am Massachusetts Institute of Technology am „Center for Brains Minds and Machines“ bei dem renommierten Neurowissenschaftler Tomaso Poggio.
2017 nahm Roig dann eine Assistenzprofessur an der Singapore University of Technology and Design an. Im Jahr 2020 folgte sie schließlich einem Ruf als Assistenzprofessorin an die Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Computational Vision statt Computer Vision
„Ich forsche über künstliche Intelligenz und ihre Beziehung zur menschlichen Intelligenz, aus beiden Perspektiven“, beschreibt Prof. Dr. Gemma Roig ihren Forschungsschwerpunkt. Entsprechend interdisziplinär sind ihre Projekte: Mal versucht sie, mit KI das Gehirn besser zu verstehen, dann nutzt sie Erkenntnisse aus der Kognitionswissenschaft und ihren Projekten, um bessere KI-Systeme zu entwerfen.
Mit diesem Ansatz will sie den schier unendlichen Raum möglicher KI-Architekturen und -Methoden eingrenzen – schließlich „scheint das Gehirn ganz gut zu funktionieren“.
Ihre Forschungsgruppe trägt daher auch den Namen „Computational Vision and Artificial Intelligence“ – und grenzt sich damit vom gängigen Begriff der Computer Vision ab, der oft ohne Rückgriff auf kognitionswissenschaftliche Erkenntnisse Verfahren zur maschinellen Bilderkennung entwickelt.
Können KI-Systeme Gehirndaten vorhersagen?
Die Wissenschaftlerin erforscht die Beziehung zwischen KI und biologischen Gehirnen, unter anderem im Rahmen der Algonauts 2023 Challenge: Das 2019 gestartete Projekt konzentriert sich auf die Vorhersage aufgezeichneter Reaktionen des menschlichen Gehirns bei der Wahrnehmung komplexer natürlicher visueller Szenen..
Roig forscht an KI-Modellen, die den Verlauf der MRT-Aufnahmen vorhersagen können. Solche Modelle helfen beim Verständnis des Gehirns und könnten zugleich robustere KI-Systeme ermöglichen, sagt Roig. An dem internationalen Projekt sind auch die FU Berlin, das MIT und die University of Minnesota beteiligt.
Einer der Sponsoren der Algonauts Challenge: Hessian.AI. Roig sieht ihre Beteiligung am Zentrum als Möglichkeit, mit anderen KI-Disziplinen zusammenzuarbeiten: „Ich möchte erkunden, wie ich die Modelle, die andere Hessian.AI Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen entwickeln, in meine Forschung integrieren kann“, sagt Roig.
Für das Algonauts-Projekt sei zum Beispiel die Integration von Methoden des kontinuierlichen Lernens in multimodale Systeme interessant. Außerdem schätzt sie den Fokus auf transparente und interpretierbare KI-Systeme in Hessian.AI.
Fortschritt an der Schnittstelle von Wissenschaften
Multimodalität ist ein weiteres Forschungsgebiet von Roig. Mit ihrem Team entwickelt sie Systeme, die nicht nur Bilder, sondern auch Text und Audio verarbeiten und orientiert sich dabei an den Erkenntnissen der Kognitionswissenschaften.
Sie ist zudem Brückenprofessorin zwischen KI und Kognitionswissenschaft im DFG-geförderten interdisziplinären Forschungsprojekt ARENA, das darauf abzielt, besser zu verstehen, wie Wissen auf verschiedenen Abstraktionsebenen organisiert ist – sowohl im Gehirn als auch in KI-Modellen.
Interdisziplinarität sieht Roig als zentrale Herausforderung ihrer Forschung: „Es braucht Zeit, sich das Wissen aus anderen Bereichen anzueignen.“ Sie entwickelt daher ein multidisziplinäres Studienprogramm, das in Zukunft Forscherinnen und Forscher hervorbringen soll, die direkt an der Schnittstelle von Informatik und Kognitionswissenschaft studiert haben.
„An der Schnittstelle verschiedener Forschungsfelder können wir viele Entdeckungen machen. Das ist ein vielversprechender Weg, um in der Wissenschaft voranzukommen“, sagt Roig.