Wie Künstliche Intelligenz Krankheiten bei Menschen und Maschinen erkennt
Über Prof. Dr Michael Guckert
Prof. Dr. Michael Guckert forscht an der Technischen Hochschule Mittelhessen am Fachbereich Mathematik, Naturwissenschaften und Datenverarbeitung. Er studierte Mathematik an der Justus-Liebig-Universität in Gießen und promovierte in Informatik an der Philipps-Universität in Marburg.
Nach einigen Jahren in der Industrie wechselte Guckert an die Technische Hochschule Mittelhessen, an der er heute zu Künstlicher Intelligenz forscht. Er ist Gründungsmitglied des hessian.AI.
Guckert bringt Mensch und Maschine mit Deep Learning zusammen
Der Informatiker jongliert mit Zahlen: Zeitreihen sind seine Bälle, die Muster darin deren Laufbahn. Mit Deep Learning-Methoden untersucht Guckert Daten, die von Industrieanlagen oder (!) dem menschlichen Körper produziert werden.
Beide haben etwas gemeinsam: Sie liefern hilfreiche Informationen für eine Diagnostik. Beim menschlichen Herzen kann das etwa ein EKG sein, das auf Rhythmusstörungen oder Infarkte hinweist. Bei der Maschine ist es vielleicht eine falsche Einstellung oder ein fehlendes Teil, das zu einer geringeren Leistung führt.
Per KI-Diagnose sagt Guckert vorher, wie wahrscheinlich der Mensch oder die Maschine an einer Krankheit leidet oder leiden wird. Seine Forschung liefert spannende Erkenntnisse: Die Muster von Mensch und Maschine ähneln sich.
Guckert und sein Team haben etwa gezeigt, dass sich mit gleichen Deep-Learning-Verfahren EKGs, die Geräuschausbreitung in einem Salzstock und die Stromverbrauchskurve einer aluminiumeinfärbenden Maschine analysieren lassen. „Im Vergleich zu traditionellen Methoden erzielte das DL-Modell für EKGs genauso gute Ergebnisse“, so Guckert.
Eine zentrale Herausforderung sieht Guckert in der Verfügbarkeit von Daten und der Regulatorik: „Wo kriegen wir die Daten her? Das ist im medizinischen Umfeld besonders schwierig, weil es besonders sensible personenbezogene Daten sind, die einen sorgfältigen Umgang erfordern.“ Die entwickelten Modelle dürfen nicht zu spezifisch sein. Nur dann könnten sie ein breites Spektrum an Erkrankungen erkennen. Deshalb arbeitet Guckert mit Kombinationen von Deep-Learning-Modellen.
Bei der Übersetzung der Forschung in Anwendungen sieht Guckert eine Herausforderung, die sich aus den Anforderungen an medizinische Geräte und die Nutzung von KI in diesen ergibt. Nicht zuletzt deshalb schätzt er die enge Zusammenarbeit seines Fachbereichs mit Unternehmen.
Bei der Suche nach ausreichenden Rechenkapazitäten für seine Deep Learning-Methoden wurde Guckert im Netzwerk von hessian.AI fündig. Die Nähe des Forschungsverbunds zur Industrie und dem hessischen Mittelstand sieht er derweil als große Chance für den Transfer von KI aus der Forschung in die Praxis: „Der Spagat zwischen Grundlagenforschung auf höchstem Niveau und bis zum Einsatz in mittelständischen Unternehmen – da wird hessian.AI eine große Rolle spielen.“
KI hilft bei Notfällen und gegen den Fachkräftemangel
Konkrete Anwendungsfälle der Künstlichen Intelligenz aus seinem Fachbereich heraus sieht Guckert insbesondere in medizinischen und industriellen Anwendungsfällen. Die Muster, die Guckert mit seinen DL-Methoden erkennt, bringen gleich mehrere Vorteile mit sich:
- Guckert sieht Künstliche Intelligenz als Stütze im Gesundheitswesen, speziell in strukturschwachen Gegenden. KI hilft medizinischen Fachkräften etwa, schneller zu entscheiden, in welche Klinik ein Patient transportiert wird.
- Auch in der Vorselektion sieht Guckert große Chancen, etwa für Hausarztpraxen und Notfalleinsätze. EKG-Daten können vor der Überweisung des Patienten an Facharzt*innen oder eine Klinik auf potenzielle Auffälligkeiten untersucht werden. Die vorgezogene Diagnostik entlastet die ohnehin engen Kapazitäten im Gesundheitswesen.
- • Den Einzug der Künstlichen Intelligenz in der Industrie sieht Guckert positiv. KI, Digitalisierung und Automatisierung steigern die Qualität der Arbeit und mildern die Auswirkungen des Fachkräftemangels.